„Chefs brauchen ein dickes Fell.“ – Irrtum! Wie und warum Dünnhäuter besser führen.
„Als Führungskraft musst du hart im Nehmen sein!“
Das ist eine verbreitete Meinung. Verständlicherweise. Unternehmen sind ja keine Streichelzoos. Und deshalb sagen wir auch oft zu uns selbst „Sei doch nicht schon wieder so empfindlich. Leg dir ein dickes Fell zu.“
Ist das aber klug?
Meine Gegenhypothese lautet:
Sensible Führungskräfte führen besser, denn sie haben eine bessere Wahrnehmung für Menschen und Themen. Allerdings müssen sie lernen, mit ihrer Empfindsamkeit umzugehen.
Wie kann das funktionieren?
Wie können wir unsere Selbstführung verbessern? Beispielsweise bei schwelenden Konflikten, bei Konkurrenzkämpfen im Führungskollegium, bei nicht erfolgter Beförderung oder fehlende Anerkennung.
Lernen Sie zwischen Erstreaktion und Zweitreaktion zu unterscheiden!
Dies ist ein erstaunlich einfacher und hilfreicher Tipp. Nehmen wir als Beispiel eine Bereichsleiterin, die getriggert ist von einem Kollegen, der sich in Sitzungen mit Vorständen stets in den Vordergrund drängt.
Zur besseren Selbstführung empfehle ich Ihnen folgende Methodik:
Ein Selbstgespräch in 3 Schritten. Sagen Sie sich:
1. Deine Erstreaktion ist OK, aber du fällst jetzt nicht darauf hinein
Rufe dir selbst STOPP zu, wenn du spürst, dass dich etwas verletzt oder triggert: „Stopp, jetzt werde ich nicht ungeduldig oder sauer. Stopp, jetzt kein Rückzug oder hitziger Angriff.“
2. Ertrag die Situation
3 mal gut ausatmen und bei leerer Lunge jeweils 10 Sekunden die Atempause halten. Frage dich dabei: „Ist mir vielleicht selbst schon Ähnliches passiert?“
3. Fokussiere dich auf eine kluge Zweitreaktion
Stelle dir vor, was dir eine kluge FreundIn in dieser Situation raten würde. Unsere Bereichsleiterin könnte beispielsweise auf die Idee kommen, die Moderatorenrolle informell zu ergreifen und dem dominanten Kollegen elegant ins Wort zu fallen mit: „Ja, genau diese zwei Aspekte möchte ich unterstützen und zusätzlich noch auf den Vorschlag von Kollegin Anja hinweisen.“ (oder einen eigenen Vorschlag)
Zusammengefasst
Es geht um eine Reiz-Reaktions-Unterbrechung! Machen Sie sich bewusst: Das ist eines der großen, existenziellen Themen. In der Unterbrechung von Reiz und automatisiertem Reaktionsmuster liegt unsere innere Freiheit. Unsere Freiheit, nicht auf jeden Trigger, den uns das Schicksal anbietet, hineinzufallen, sondern unser Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Die Reiz-Reaktions-Unterbrechung ist ein Klassiker der Selbstführung. Egal ob, Sie Führungskraft, Lebenspartner oder einfach nur Nachbarin sind.
Dünnhäutige Führungskräfte können zu echten Problemlösern werden, wenn sie lernen, ihren Erstreaktion nicht aufzusitzen. Damit gehört ihnen die Zukunft. Dickhäuter hingegen werden es wegen ihrer eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit in dynamisch-komplexen Zeit viel schwerer haben.
Fördern wir also unsere Sensibilität und verbessern wir gleichzeitig unsere Selbstführung – ich sehe Potenzial in jedem!
Wenn Sie mich fragen, was eines der wichtigsten Themen im Self-Leadership Coaching ist, dann sage ich: Verletzlichkeit. Erstaunlich, nicht?
Unterscheiden sich darin Frauen von Männern, Vorständinnen von Abteilungsleiter? Nein.
Das Thema Dünnhäutigkeit kommt erstaunlich häufig in meinen Coachings vor. Sobald genug Vertrauen besteht. Was für eine Entlastung es für meine Kunden ist, sich ihre Empfindsamkeit einzugestehen, das berührt mich immer wieder.
Ich selbst empfinde diese Selbstoffenbarung meiner Kunden immer als großes Geschenk. Ein Geschenk des Vertrauens und der Nähe und ein Zeichen persönlicher Entwicklung.